in: Soziologie der Zwischenkriegszeit. Ihre Hauptströmungen und zentralen Themen im deutschen Sprachraum, Karl Acham,Stephan Moebius, Editor, Springer-Verlag , Wiesbaden, pp.481-526, 2023
Der Beitrag untersucht die Entstehung der Idee einer Sprachsoziologie,
im Zusammenhang einerseits mit wissenschaftspolitischen Diskussionen in
den 1920er Jahren über die Verhältnisse zwischen Sprachwissenschaft und
Soziologie als neuer Disziplin, die mit der Völkerpsychologie und der
Kulturgeschichte konkurriert, andererseits mit der Ausarbeitung einer
politischen Sprachsoziologie in den 1930er Jahren, die organische
Verbindungen zwischen „Muttersprache“ und Gemeinschaft behauptete.
Ausgehend von Leo Weisgerbers Auffassung der Sprachsoziologie wurde
gezeigt, wie seine eigene Rekonstruktion des neuen Ansatzes durch einen
kontrastiven Vergleich mit der französischen Wissenstradition dazu
beigetragen hat, die sprachkritische Ausarbeitung einer Sprachsoziologie
im deutschsprachigen Raum auszublenden. Gegenüber der Wiederaneignung
der Sprachsoziologie im Rahmen konservativer, pangermanischer oder
nationalsozialistischer Ideologien, die auf einem kulturnationalen (Karl
Vossler) oder biologischen (Georg Schmidt-Rohr)
Sprachgemeinschafts-Begriff beruhen, geht es darum, eine kritische
Tradition der Sprachforschung (Rudolf Meringer, Hugo Schuchardt, Leo
Jordan, Leo Spitzer) und, am Rand dieser Strömung, die Sprachkritik im
Sinne Fritz Mauthners zu berücksichtigen.